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ErbrechtExpertentipps

Besuchspflicht als Erbvoraussetzung?

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf
Im Alter möchten potentielle Erblasser am liebsten so häufig wie möglich von Angehörigen besucht werden. Eine Besuchspflicht kann jedoch rechtlich nicht eingefordert werden. Ein Anspruch besteht nicht. Nur aus moralischen Gründen besteht eine derartige Verpflichtung. Oftmals wird jedoch versucht, Besuche mit dem Hinweis zu erzwingen, dass ansonsten nicht am Erbe partizipiert wird.
In einem am 05.02.2019 vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall hatte der Erblasser in einem Testament seine Ehefrau und einen seiner Söhne zu jeweils 25% als Erben eingesetzt. Die beiden Enkelkinder eines anderen Sohnes sollten die restlichen 50% gemeinsam bekommen, aber nur dann, wenn sie ihn regelmäßig, mindestens jedoch sechsmal im Jahr besuchen. Ansonsten sollten diese restlichen 50% dann auch seine Ehefrau und der eine Sohn erhalten. Diese Regelung war auch allen Angehörigen bekannt gewesen. Da die Enkelkinder keine regelmäßigen Besuche wahrgenommen hatten, beantragten nach dem Tod des Erblassers seine Ehefrau und der eine Sohn die Erteilung eines Erbscheins, der beide als hälftige Miterben ausweist.
Das OLG Frankfurt sah eine derartig aufgestellte aufschiebende Bedingung, die die Erbenstellung von der Erfüllung einer Besuchspflicht abhängig macht, als sittenwidrig und nichtig an. Ein Erblasser kann zwar frei die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Eine Bedingung ist auch nur in besonders schwerwiegenden Fällen ausnahmsweise sittenwidrig. Dies ist dann anzunehmen, wenn die vom Erblasser erhobene Bedingung unter Berücksichtigung der höchstpersönlichen oder wirtschaftlichen Umstände die Entschließungsfreiheit der bedingten Zuwendungsempfänger unzumutbar unter Druck setzt und durch das Inaussichtstellen von Vermögensvorteilen Verhaltensweisen bewirkt werden sollen, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen.
Grundsätzlich ist zwar nichts gegen den Wunsch einzuwenden, von seinen Enkelkindern regelmäßig besucht zu werden. Vorliegend hat der Großvater aber faktisch seine Enkelkinder dem Druck ausgesetzt, zur Erlangung eines Vermögensvorteils zwingend die im Testament geregelte Besuchspflicht zu erfüllen, um Erbe werden zu können. Da diese zu erlangenden Vorteile auch im oberen fünfstelligen Bereich lagen, hat der Großvater versucht, über dieses Druckmittel ein Verhalten seiner Enkel zu erzwingen, welches gerade eine freie, innere Überzeugung voraussetzt. Eine derartige Einflussnahme ist jedoch unzulässig. Ein Erblasser kann nicht durch einen wirtschaftlichen Anreiz ein bestimmtes Verhalten „erkaufen“, welches gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
Diese Nichtigkeit der Besuchsbedingung führte dann aber nicht auch zu einer Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Das Gericht hat trotz der nicht erfüllten Besuchspflicht die Enkelkinder als Miterben angesehen. Hätte der Erblasser gewusst, dass die von ihm verwendete Besuchsbedingung unwirksam ist, muss davon ausgegangen werden, dass er seine Enkelkinder trotzdem als Miterben eingesetzt hätte. Dafür spreche gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln.

Wirksamkeit einer Patientenverfügung

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf
In Würde sterben? Nicht unnötig leiden? Das ist der Wunsch vieler Menschen. Oftmals kann ein derartiger Wille jedoch nicht mehr selbst artikuliert werden. Deshalb haben viele eine so genannte Patientenverfügung errichtet. Derartige Patientenverfügungen sind nach § 1901a BGB möglich. Sie können aber nur von einwilligungsfähigen Volljährigen errichtet werden und bedürfen der Schriftform. Mündlich abgegebene Erklärungen, selbst wenn diese protokolliert werden, reichen nicht aus. Dieses Schriftlichkeitserfordernis bedeutet nicht, dass die Patientenverfügung handschriftlich verfasst werden muss. Es genügt die Unterschrift, beispielsweise unter einen vorformulierten Text.
Eine schriftliche Patientenverfügung entfaltet ihre Bindungswirkung jedoch nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden. Dies hat der Bundesgerichtshof erst aktuell am 06.07.2016 entschieden. Dabei wurde ausgeführt, dass allein die schriftliche Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ nicht ausreicht. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie beispielsweise ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Zwar dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann aber, dass umschreibend festgelegt wird, was in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation gewollt ist und was nicht. So kann aber beispielsweise die erforderliche Konkretisierung bei der Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
Nicht erforderlich ist natürlich, dass die eigene Biografie vorausgeahnt wird und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt werden.
Ob das Ankreuzen in Formularen ausreicht, ist zweifelhaft. Besser und sicherer ist auf jeden Fall, die gewünschten Varianten zwar auszuwählen, aber gesondert niederzulegen. Dann weiß jeder, dass der Verfasser der Patientenverfügung nicht nur einfach angekreuzt hat, sondern er hat sich auch das, was niedergeschrieben ist, genau überlegt.
Um zu vermeiden, dass eine bereits erfolgte Patientenverfügung nicht wirksam ist, kann nur angeraten werden, diese bisherige Erklärung rechtlich überprüfen zu lassen, ob sie den Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, kann dann sicher eine ordnungsgemäße Patientenverfügung errichtet werden

Die Erbrechtsreform 2010

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf

Am 01.01.2010 sind folgende Änderungen des Erbrechts in Kraft getreten:

Bislang konnte ein Abkömmling, der den Erblasser längere Zeit gepflegt hat, hierfür von den übrigen Erben nur dann einen Ausgleich für seine Leistungen verlangen, wenn er wegen der Pflege Einbußen bei seinem beruflichen Einkommen hinnehmen musste. Künftig kann jeder Abkömmling, der den Erblasser längere Zeit gepflegt hat, einen Ausgleich verlangen. Nach wie vor gilt die Ausgleichspflicht jedoch nur zugunsten von Abkömmlingen. Die in der Praxis häufigen Fälle, in denen die Pflege nicht durch Abkömmlinge, sondern andere Personen erbracht wurde, werden durch die Gesetzesreform leider nicht erfasst. Hier besteht weiterhin Bedarf für ergänzende testamentarische oder vertragliche Regelungen (Stichwort Pflegevertrag).

Gemäß § 2325 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter dann, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn zur Zeit des Erbfalls 10 Jahre seit der Leistung des ver-schenkten Gegenstandes verstrichen sind. Bislang gilt also ein „Alles-oder-Nichts“-Prinzip. Entweder wird die Schenkung berücksichtigt oder nicht.

Die Neufassung des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB beseitigt die starre Frist des geltenden Rechts zugunsten eines „Abschmelzungsmodells“. Danach verringert sich der Ergänzungsanspruch für jedes Jahr, das seit der Schenkung bis zum Erbfall vergangen ist, um 1/10. Zum Beispiel wird eine Schenkung, die am Todestag acht Jahre zurückliegt, nur noch mit 20 % ihres Werts berücksichtigt.

Eine dritte Neuregelung besteht darin, dass künftig nicht nur Abkömmlinge und Ehegatten des Erblassers, sondern jeder Erbe von Pflichtteilsberechtigten die Stundung des Pflichtteilsanspruchs verlangen kann, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn eine „unbillige“ Härte bedeuten würde. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Pflichtteilsentziehungsgründe modernisiert, die erbrechtlichen Verjährungsregelungen an die allgemeinen Verjährungsvorschriften angeglichen und einige in der Praxis oft schwer handhabbare erbrechtliche Normen praxisfreundlicher gestaltet.

Die Reform gilt für alle Fälle, in denen der Erblasser ab dem 01.01.2010 verstirbt.

Die Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf

Haben Sie eine Lebensversicherung abgeschlossen, um damit im Falle Ihres Todes Geld „am Nachlass vorbei“ auf eine von Ihnen bevorzugte Person zu übertragen und Pflichtteilsansprüche zu reduzieren? Oder sind Sie vielleicht selbst pflichtteilsberechtigt und von einem solchen Benachteiligungsversuch betroffen? Dann wird es Sie interessieren, dass dieses Instrument zur Umgehung des Pflichtteilsrechts wohl ausgedient hat. Im Einzelnen:

Grundsätzlich kann die Lebensversicherungssumme bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nur berücksichtigt werden, wenn sie Bestandteil des Nachlasses ist. In den Nachlass fällt sie aber nur dann, wenn der Erblasser gegenüber der Versicherungsgesellschaft keinen Bezugsberechtigten benannt hat. Hat er dies jedoch getan, erwirbt der Bezugsberechtigte im Todesfall den Auszahlungsanspruch gegen die Versicherung unmittelbar und „am Nachlass vorbei“. Dann fragt sich, inwiefern die Zuwendung der Lebensversicherung eine Schenkung des Erblassers an den Bezugsberechtigten darstellt, aus der sich für den dadurch benachteiligten Pflichtteilsberechtigten Pflichtteilsergänzungsansprüche ergeben.

Bis vor Kurzem wurden, wenn das Bezugsrecht widerruflich ausgestaltet war, nur die vom Erblasser gezahlten Versicherungsbeiträge als Schenkung angesehen. Die Versicherungssumme als solche hingegen wurde nur dann zur Grundlage für die Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche gemacht, wenn der Erblasser dem Begünstigten das Bezugsrecht unwiderruflich eingeräumt hatte. Durch den Abschluss einer Lebensversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht konnten Pflichtteilsberechtigte somit erheblich benachteiligt werden.

Infolge einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zeichnet sich nun ab, dass die Rechtsprechung künftig voraussichtlich auch im Falle eines widerruflichen Bezugsrechts die Pflichtteilsergänzung nicht mehr nur anhand der eingezahlten Beiträge, sondern auf Basis der Versicherungssumme vornehmen wird. Damit ist der Abschluss einer Lebensversicherung durch den Erblasser kein hinreichend sicheres Mittel mehr, um Pflichtteilsberechtigte von ihrer Teilhabe am Ertrag des investierten Geldes auszuschließen.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf

Auch Erben können aus Schenkungen des Erblassers an andere Erben oder Dritte unter Umständen Pflichtteilsergänzungsansprüche herleiten. Das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs als solchem (der eine Enterbung voraussetzt) ist nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, dass der betreffende Erbe, wäre er enterbt worden, zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört hätte. Dazu zählen insbesondere die Kinder und der Ehegatte des Erblassers.

Ob Erben derartige Ansprüche zustehen, hängt davon ab, ob der ihnen hinterlassene Erbteil mindestens den Wert dessen erreicht, was ihnen im Falle ihrer Enterbung unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Anrechnungs- und Ausgleichungsvorschriften als Pflichtteil zugestanden hätte. Folgendes Beispiel soll dies in drei Varianten verdeutlichen:

Grundsachverhalt: Witwer W hat seine einzige Tochter T und seine Lebensgefährtin L als Miterben eingesetzt. Seiner Jugendliebe J hat er kurz vor seinem Tode noch um der alten Zeiten willen eine Wohnung im Wert von 60 TEUR geschenkt. Der Nachlasswert beträgt 100 TEUR. Die Pflichtteilsquote von T würde im Falle einer unterstellten Enterbung 1/2 betragen.

Variante 1: Wurden T zu 1/10 und L zu 9/10 als Erben eingesetzt, steht T zunächst neben ihrem Erbteil von 10 TEUR (= 1/10 aus 100 TEUR Nachlass) ein sog. Pflichtteilsrestanspruch von 4/10 (= 1/2 – 1/10) i.H.v. 40 TEUR gegen L zu (= 4/10 aus 100 TEUR Nachlass). Darüber hinaus hat T einen Pflichtteilsergänzungsanspruch i.H.v. 30 TEUR (= 1/2 aus dem Schenkungswert von 60 TEUR). Auch dieser Anspruch richtet sich gegen L, der im Ergebnis also nicht 90 TEUR (= 9/10 aus 100 TEUR Nachlass), sondern nur 20 TEUR verbleiben!

Variante 2: Waren T und L je zu 1/2 als Erben eingesetzt, steht T kein Pflichtteilsrestanspruch zu. Sie hat aber dennoch den vollen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen L i.H.v. 30 TEUR.

Variante 3: Beträgt T’s Erbquote 3/4, besteht kein Pflichtteilsrestanspruch. Da ihr testamentarischer Erbteil von 75 TEUR (= 3/4 aus 100 TEUR) aber nicht den Gesamtpflichtteil von 1/2 aus 160 TEUR (= Nachlasswert 100 TEUR + Schenkungswert 60 TEUR) im Wert von 80 TEUR erreicht, hat sie immer noch Anspruch gegen L auf die Differenz von 5 TEUR.

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkung vor Geburt des Berechtigten

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf

Bei vielen Familien sind anlässlich eines Erbfalls schon Streitigkeiten aufgetreten, die bei rechtzeitiger Vorsorge, aber auch richtiger Kenntnis von Rechten und Pflichten vermeidbar gewesen wären.

Hat der Erblasser kein Testament errichtet, gilt die gesetzliche Erbfolge. Danach erben nur Verwandte (auch adoptierte Kinder) und der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner. Die gesetzlichen Erben werden in verschiedene Ordnungen eingeteilt. Sind weder Verwandte noch ein Ehegatte bzw. eingetragener Lebenspartner vorhanden, wird der Staat gesetzlicher Erbe.

Durch ein Testament kann man diese gesetzliche Erbfolge jedoch ändern. Es erben dann nur diejenigen Personen, die im Testament erwähnt sind, wobei auch die Möglichkeit besteht, einzelnen Personen konkrete Vermögenswerte zukommen zu lassen. Ein Testament ist daher immer sinnvoll, wenn die gesetzliche Erbfolge zu nicht gewünschten Ergebnissen führt, aber auch, wenn größere Werte auf dem Spiel stehen oder eine Unternehmensnachfolge geregelt werden muss. Um wirksam ein Testament zu errichten, müssen die strengen gesetzlichen Formvorschriften beachtet werden. Außerdem sollte klar zum Ausdruck gebracht, wer erben soll und was jeder erben soll.

Werden durch ein Testament nahe Angehörige von der Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt, bedeutet dies nicht, dass sie leer ausgehen. Pflichtteilsberechtigte können nicht gänzlich übergangen werden. Sie haben dann zumindest Anspruch auf den Pflichtteil, unter Umständen auch Pflichtteilsergänzungsansprüche bei nur teilweiser Enterbung. Der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsberechtigte wird aber kein Miterbe, sondern kann nur die Auszahlung des Wertes seines Pflichtteils verlangen.

Sowohl bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als auch bei der Berechnung des Pflichtteils kommt es nicht nur auf den tatsächlich zum Zeitpunkt des Todesfalles vorhandenen Nachlasswert an. Auch bereits vorher erfolgte Zuwendungen und Schenkungen können zu Ausgleichspflichten unter den Miterben oder zur Werterhöhung für die Berechnung des Pflichtteils führen.

Wird ein Erbe angenommen, tritt der Erbe in sämtliche Rechte, aber auch Pflichten des Erblassers ein, wozu auch Schulden gehören. Eine Erbausschlagung, die bei einer Überschuldung des Nachlasses sinnvoll ist, muss grundsätzlich binnen sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Dabei genügt nicht eine nur schriftliche Mitteilung, sondern dies hat entweder in öffentlich beglaubigter Form oder zur Niederschrift bei Gericht zu erfolgen. Nach Ablauf der Frist bestehen aber trotzdem noch Möglichkeiten, nicht mit seinem persönlichen Vermögen für die Schulden des Erblassers haftet zu müssen, beispielsweise durch Nachlassverwaltung, ein Nachlassinsolvenzverfahren oder die Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses.

Es ist daher empfehlenswert, sich sowohl bei der Gestaltung eines Testaments, als auch für Erben und Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall rechtlicher Hilfe zu bedienen. Damit können Streitigkeiten weitestgehend vermieden werden, trotzdem etwa auftretende Probleme gelöst werden.

Das Behindertentestament

von Heiko Schuster
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Plauen / Zeulenroda / Auerbach / Adorf

Haben Eltern behinderte Kinder, so sind die persönlichen Beziehungen meist von besonderer Liebe und großer Fürsorge geprägt. Dabei wird auch oft überlegt, Vorsorge für den Fall zu treffen, wenn die Eltern die persönliche Betreuung nicht mehr selbst ermöglichen können.

Im Todesfalle der Eltern sind die Kinder, sofern kein anderslautendes Testament oder Erbvertrag existiert, gesetzliche Erben und somit auch das behinderte Kind. Vor dem Bezug von Leistungen der Sozialhilfeträger muss dann das Kind dieses ererbte Vermögen einsetzen bzw. erbrachte Leistungen erstatten. Viele Eltern wünschen sich zwar zum einen, dass ihr behindertes Kind unmittelbar persönliche Vorteile aus dem Nachlass der Eltern genießt, zum anderen aber auch, dass die Ansprüche des behinderten Kindes gerade nicht vom Sozialhilfeträger vereinnahmt werden. Deshalb wird nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, dem behinderten Kind im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten einerseits so viel wie möglich zukommen zu lassen, andererseits jedoch nicht mehr, als der Sozialhilfeträger ohnehin leisten muss. Dieses Ziel kann jedoch nicht anders erreicht werden, als im Wege von letztwilligen Verfügungen den Sozialhilfeträger quasi ins Leere laufen zu lassen, um das behinderte Kind aus dem vorhandenen Nachlass besser zu stellen.

In der Praxis geschieht dies meist durch eine Vor- und Nacherbschaftslösung mit Testamentsvollstreckung. Wie der Bundesgerichtshof aktuell mit Urteil vom 19.01.2011 zum sogenannten Behindertentestament nochmals bestätigt hat, sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.

Wegen der komplizierten Regelungen im jeweiligen Einzelfall sollten jedoch nicht einfach irgendwelche Muster übernommen werden, sondern auf kompetente rechtliche Hilfe zurückgegriffen werden, um zu vermeiden, dass trotz eines entsprechendes Testaments wegen falscher oder fehlender Formulierungen der Sozialhilfeträger doch noch auf den Nachlass zugreifen kann.

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